Imre Jakabffy (szerk.): Ars Decorativa 1. (Budapest, 1973)
RUZSA, György: Zur Kunst der ungarischen Wandteppiche im 20. Jahrhundert
der Komposition eine gewisse Künstlichkeit, eine gewisse Schwerfälligkeit. Die Darstellung des Volkshelden Toldi beschäftigte den Künstler nicht nur in einem Werk. War es doch eines seiner erklärten Ziele (wie auch der Gödöllöer Künstlerkolonie), die Volkskunstmotive und die volkstümliche Gedankenwelt zu pflegen, nachzuempfinden und in der Kunst zur Geltung zu bringen. 11 In den unteren rechten Ecke findet sich übrigens das eigenartig hineinkomponierte Signum S N L, wobei das L den Namen seiner Frau, Laura Kriesch, der Schwester Aladár Körösfői-Krieschs, bedeutet. In der Gödöllöer Werkstatt entstanden noch zahlreiche andere Werke unterschiedlichen Niveaus. Sämtliche Arbeiten werden im Geist der unruhigen sezessionistischen Linienführung geschaffen, häufig treten auch religiöse Themen auf und Motive der Andacht. In diesem Zusammenhang sei ein Wandteppich erwähnt, der eine weibliche Heilige darstellt. 12 Das Haar der Frau wird vom Wind in beide Richtungen geweht, und diese wehenden Linien wiederholen sich bei den Pflanzenornamenten. Die Komposition wird auf einem matten Lila und Senffarben aufgebaut. Auf Grund seines Stils dürfen wir mit Sicherheit annehmen, dass das Werk in Gödöllő, und zwar wahrscheinlich um 1910 entstanden ist. Für eine Gödöllöer Herkunft der Arbeit sprechen auch die in der rechten und linken unteren Ecke angeordneten und in einem Quadrat eingefassten Linien, die bei den Künstlern der Kolonie in den häufig quadratischen Signa allgemein üblich sind. 1 ' 1 Einer der Initiatoren der ungarischen avantgardistischen Malerei, János Vaszary, unterhielt mit den Künstlern der Gödöllöer Kolonie, wenn wir ihn auch nicht im üblichen Sinne des Wortes als Gödöllöer bezeichnen können, rege Beziehungen. In den ersten Jahren des Jahrhunderts schuf er mehrere Gemälde, die das Dorfleben zum Thema haben. Hierdurch sind wir auch in der Lage, die gewebten Wandteppiche zu datieren. In seinen Werken nutzte er grosse, zusammenhängende Flächen aus, wie es — abweichend von seinen Gemälden — den Spezifika dieser Kunstgattung entspricht. Sein erster gewebter Teppich — „Markt" (Vásár) — kann vielleicht als der gelungenste betrachtet werden. u Es gelang ihm, den Dorfmarkt mit sparsamen Mitteln künstlerische festzuhalten und dem Betrachter zu vergegenständlichen. Obwohl er die Gesichtszüge der Figuren gewissermassen nur andeutet, kann man doch davon sprechen, dass er in der Lage ist, die Charaktere sichtbar zu machen. Das Thema war ihm keineswegs fremd, zumal er sich bereits in seiner Kindheit — als Sohn eines kleinstädtischen Gymnasialprofessors — an solchen Plätzen oft aufgehalten hatte. Auch sind die Zeichnungen und Skizzenhefte aus der Kindheit, der Gymnasialzeit und aus den Jahren des Modellzeichenunterrichts erhalten geblieben. Hier werden wir oft mit seinem Erlebnissen auf dem Markt konfrontiert; in den Skizzen sind Pferde, Kühe, Marktfrauen und Fuhrleute zu sehen. 1 ' Das Pendant zum „Markt" ist das Werk „Junge Eheleute" 16 , das allerdings nicht das Niveau das erstgenannten erreicht. Desto besser hingegen ist der Wandteppich „Der Schäfer" gelungen (Abb. 3). iJ Der Schäfer wird von hinten dargestellt, so dass die schöne volkstümliche Ornamentierung des ungarischen Bauernmantels ausgezeichnet zur Geltung kommt. Das aus Schafwolle hergestellte Werk wirkt eigentümlich und interessant stofflich. Die Schafherde und der ungarische Bauernmantel, auf dem sich die volkstümlichen Motive gut ausnehmen, lassen das Werk in der Tat äusserst dekorativ erscheinen. Auf der linken Seite des Bildes befindet sich ebenfalls ein charakteristischer Kunstgegenstand, die mit Fohlenfell überzogene Feldflasche. Die Windungen des Riemens werden durch schöne Ornamente verziert. Auf der rechten Seite finden wir prachtvolle Lederrosetten, in der