Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)

MISKOLCZY, Julius: Metternich und die ungarischen Stände

Metternich und die ungarischen Stände 249 ziehen, die der Reichstag von 1843 ungelöst gelassen hatte, so müssen wir sagen, daß die Umgestaltung einer alten feudalen Verfassung vor unseren Augen Form und Gestalt annimmt. Auch Metternichs Auffassung hatte sich gründlich geändert. Nicht die Konservierung der alten Verfassung blieb in seinen Augen die Haupt­aufgabe, wie das vor einem Dezennium der Fall war. Er ist reformfreudig geworden und hat vielleicht selbst nicht gefühlt, daß er in diese Position geschoben wurde, geschoben von den jungen ungarischen Konservativen. Das einzige, was wirklich der alte Metternich an ihm war, blieben die Wiederholung der Mahnung, man solle Ungarn regieren und seine Vor­schläge zur Gründung immer neuer Ausschüsse. Ebenso klärte sich seine Auffassung von der Opposition. Mit einem Wort, die Auffassungen änderten sich hüben und drüben. Metternich machte dies alles eigentlich ohne Hoffnung. Ende 1844 schreibt er, daß Ungarn in der Vorhölle der Revolution stehe, dort wo das Alte versiege und das Neue noch nicht ins Leben getreten sei, herrsche ein Stand der Dinge, welcher zu Resultaten führe, die in der Sache die­selben, nur in der Form verschieden seien. Er hat Angst vor der rohen Gewalt, vor der Revolution; darum setzt er alles daran, dieser Revolution vorzubeugen. Mitten in der Entwicklung seines Reformprogramms hat die Revolution Metternich getroffen. Seine Auffassung der Lage in Ungarn war auch diesmal die der Versöhnung. Erinnern wir uns an den Brief Metternichs aus dem englischen Exil, aus Richmond, vom 26. Juni 1849. In diesem Brief finden wir den alten Metternich wieder. Er mahnt Schwarzenberg, daß die ungarische Frage nur mit den Ungarn zu lösen sei; auch hier macht er die Politik Josephs II. für vieles verantwortlich, und betrachtet den Reichstag von 1790—91 als Ausgangspunkt einer neuen Politik. Er wirft einen Blick auf die Geschichte der letzten Jahrzehnte und nicht mit Unrecht stellt er fest, daß Ungarn seit 1825 verfassungsmäßig regiert wor­den sei. Wir hören den großen österreichischen Staatsmann, wenn er den neuen Ministerpräsidenten aufmerksam macht, daß Ungarn, was Ausdeh­nung und innere Kraftquellen anbelangt, der wichtigste Teil der Monarchie sei, daß die ungarische Nationalität sich nicht aufheben lasse, aber auf der anderen Seite Ungarn allein nicht bestehen könne, daß Ungarn ein in der Zivilisation zurückgebliebenes Land sei. Der alte Staatskanzler, den sein Leben lang die Mehrheit der Bewohner Ungarns als Feind der ungarischen Verfassung und der ungarischen Autonomie betrachtete, fand hier so tief­gehendes Verständnis für die ungarische Verfassungsmäßigkeit und für das ungarische Volk selbst, wie sie ein geborener ungarischer Aristokrat nicht zu finden vermochte. Gab es etwas Schöneres als die Mahnung an Schwarzenberg, daß er Ungarn unmöglich als besiegtes Land behandeln dürfe? Wohl könne er aber der alten Verfassung neue Formen geben, nach­dem die Ungarn selbst diese alte Verfassung umgestoßen hätten. Wir

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